Autarkes Leben
Russland: Kostenlose Grundstücke für jeden Bürger
Bei uns werden Bauern gezwungen, sich an marktwirtschaftliche Vorgaben zu halten, während „Monsanto“ sie zum Gebrauch von Gentech-Saaten zwingen will. Man erwägt sogar, den eigenen Anbau ganz zu verbieten. Anders in Russland. Dort erhält jeder Bürger ein eigenes Gartengrundstück, auf dem seine Familie Gemüse und Obst anpflanzen kann. Dies ist dank einer Regierungspolitik möglich, die selbstständige bäuerliche Familienbetriebe fördert, statt die Gier von Biotech- und Chemiekonzernen zu unterstützen, wie es in der EU geschieht. Laut dem Gesetz über den Privatbesitz von Gartengelände hat jeder russische Bürger Anrecht auf ein kostenloses privates Grundstück von einer Größe zwischen 8900 und 27.500 Quadratmetern. Jedes Grundstück kann nach Belieben zum Anbau von Nahrungsmitteln oder als Ferien- oder Freizeitgrundstück verwendet werden. Dabei muss auf dieses Land keine Steuer gezahlt werden. Seitdem ist ein Boom an selbstangebautem Gemüse und Obst in Gang gekommen. Fast jeder baut dort seine eigenen Lebensmittel selbst an. Die Landwirtschaft besteht praktisch aus Parzellen bzw. nachhaltig wirtschaftenden, dezentralisierten „Öko-Dörfern“, die mehr als genug Nahrung produzieren, um das ganze Land damit zu ernähren. Das Modell der Gärten ist in ganz Russland so erfolgreich, dass der Ertrag, den die Familien erzeugen, mehr als die Hälfte der gesamten landwirtschaftlichen Produktion des Landes ausmacht. Den Rest produzieren die Großbauern. Und die Tendenz ist steigend, denn immer mehr Russen schließen sich der Ökodorf-Bewegung an! (Quelle: Kopp)
Andernach: Gemüse und Obst für alle
Seit 2010 werden in der Stadt Andernach am Rhein öffentliche Flächen in Gemüse- und Obst-Anbauflächen verwandelt, von denen jeder Bürger ernten darf. Nicht genutzte Flächen wurden umfunktioniert. Wo früher Efeu wuchs, gibt es jetzt Gemüse, und jeder kann sich bedienen. Die Idee kam von Baugarten-Ingenieuren. Anfangs belächelt, ist das Gemeinschaftsprojekt der „ersten eßbaren Stadt Deutschlands“ ein voller Erfolg geworden. Der gesamte Anbau wird in kontrollierter, biologischer Landwirtschaft betrieben. Professionelle Gärtner kümmern sich um die Anbauflächen, während Bewohner und Bürgerarbeiter helfen. Und das machen diese sogar in ihrem Urlaub, weil immer mehr die Liebe zur Natur entdecken. Um die Vielfalt zu bewahren, wird jedes Jahr ein Schwerpunkt gesetzt. Im ersten Jahr wurden Tomaten angepflanzt, 2011 Bohnen, und in diesem Jahr Kartoffeln und Zwiebelgewächse. Daneben gibt es Zucchini, Weintrauben, Pfirsiche, Aprikosen, Birnen, Äpfel, Eßkastanien und sogar Indianerbananen. Auch Blumen werden gepflanzt, um die Stadt zu verschönern. Wildkräuter sollen als nächstes angepflanzt werden. Das Pflücken steht allen offen und ist sogar erwünscht. Inzwischen beträgt die Anbaufläche schon über 10.000 Quadratmeter. Vandalismus kam bisher nicht vor. Im Gegenteil: Im Permakulturgarten hat für jeden Baum ein Bewohner die Patenschaft übernommen. (Quellen: Inter-Info 9/2012, 3SAT-Sendung)
Todmorden: Eine Stadt, die sich selbst versorgt
Die kleine englische Stadt Todmorden in West-Yorkshire war vielleicht Vorbild für
Andernach. Denn das Städtchen zwischen Yorkshire und Lancashire hat sich im Jahr 2008 mit einer eigenen Nahrungsmittel-Selbstversorgung autark gemacht. Neben Anpflanzungen in privaten Gärten wurden
dort auf jedem freien Fleckchen Erde Beete angelegt, auf denen Gemüse und Früchte wachsen, die von jedem Bürger geerntet werden können. Benutzt wurden öffentliche Grasflächen, überflüssige Parkplätze
und triste Ecken, die nutzlos dalagen. Das Programm besteht aus 70 Anpflanzungen, in denen man Äpfel, Aprikosen, Kirschen, Erdbeeren, Himbeeren, Bohnen, Möhren, Kartoffeln, Zwiebeln, Salate und
diverse Kräuter findet. Die Bürger ernten das Gemüse und Obst selbst und nehmen dabei nur so viel wie sie benötigen. Dass kein Mißbrauch stattfindet, erklärt sich eine der Gründerinnen des Projekts
damit, dass das Bewusstsein der Bewohner mit dem Projekt gestiegen ist. Es herrscht Respekt vor den Ernteflächen, und selbst die Kriminalität ist seitdem in dem Ort gesunken, wie die Polizei
bestätigte. Das Projekt, das von zwei Frauen gegründet wurde, nennt sich „Incredible Edible“ ( = unglaublich genießbar). Sie machten sich Sorgen um die Welt und beschlossen, selbst vor Ort etwas zu
einer besseren Welt beizutragen. Eine der beiden entfernte die Mauer vor ihrem Haus und lud Passanten mit einem Schild auf, sich in ihrem Garten zu bedienen. Die Leute brauchten ein halbes Jahr, bis
sie begriffen, um was es geht. Dies führte dazu, dass einer nach dem anderen selbst anfing, Gemüse und Obst anzupflanzen oder an den öffentlichen Anbauflächen mitzuhelfen.
Das Projekt soll die Regionalität fördern, die lokale Wirtschaft stärken und die Menschen wieder zu einer natürlichen Ernährung zurückführen. Nebenbei ist der Ort auch noch verschönert worden.
Inzwischen werden auch Kurse abgehalten, wie man Obst einlagert, Brot backt usw. Todmorden hat sich komplett gewandelt. Während die Menschen früher nebeneinander her lebten, besteht heute ein
Gemeinschaftsgefühl. Ein blühender Markt ist im Ort entstanden, wo die Menschen sich treffen und miteinander reden. Todmorden ist nun die erste Stadt Englands, die im Bereich Lebensmittel zur
völligen Selbstversorgung übergegangen ist und die neue 5D-Gemeinschaft bereits lebt. In 21 weiteren britischen Städten wird die Umsetzung eines solchen Projekts ebenfalls getestet. Auch Spanien,
China, Deutschland und Kanada zeigen Interesse an der Nachahmung. (Quellen: Nexus Nr.
40, alles-schallundrauch.blogspot.com)
Tauschbörse 2.0
Zwei Baseler haben eine Online-Tauschbörse aufgebaut, die ähnlich wie die bisherigen Tauschkreise funktionieren, nur mit dem Unterschied, dass man sein Zeitkonto online abrufen kann. Menschen können dort für Kuchen Englischstunden bekommen oder fürs Rasenmähen eine Steuerberatung erhalten. Bezahlt wird nicht mit Geld, sondern mit Zeit. Dabei zählt die Zeit, die man für die eigene Dienstleistung benötigt. Für die Zubereitung eines Essens braucht jemand beispielsweise 2 Stunden, während er für denselben Zeitwert eine Gegenleistung erhält – von irgendjemandem, der das anbietet, was er braucht. Früher ging man zu einer Tauschbörse hin, trug sich ein, zeigte an, was man anbietet und bekam Punkte für Dienstleistungen wie Nachbarschaftshilfe gutgeschrieben, die man gegen etwas anderes eintauschen konnte. Mit der Online-Tauschbörse ist es ganz ähnlich, nur dass die Suche nach Dienstleistungen heute nicht mehr über Rundbriefe, sondern online gemacht wird. Regional bleiben die Tauschbörsen damit trotzdem. Die neue Schweizer „Zeittauschbörse“, die es seit Mai 2012 gibt, hat sich aber zum Ziel gemacht, alle Schweizer Börsen miteinander zu vernetzen, damit eine große Community entsteht, in der man sich außerhalb des Geldsystems miteinander austauscht. Damit sich keiner überarbeitet und niemand andere ohne Gegenleistung für sich arbeiten lässt, gibt es ein Verfügungslimit von 20 Stunden, die ein Mitglied im Plus oder im Minus sein darf. Selbst verleihen, verschenken oder vererben kann man seine Zeit. Sogar über eine „Zeitvorsorge“ ähnlich der Rentenvorsorge denkt man schon nach. Indem jemand Zeit mit einem älteren Menschen verbringt, für ihn einkauft oder im Gesellschaft leistet, wird Zeit angespart, die man selbst im Alter ausbezahlt bekommt. Man legt sich sozusagen selbst eine „Stundenrente“ an, so einer der Gründer der Tauschbörse. Info: www.zeittausch.org(Quelle: Weser-Kurier 20.8.2012)
Die Transition-Town-Bewegung
Die Internationale Transition-Town-Bewegung besteht aus diversen Nachhaltigkeits-Initiativen, die sich zum Ziel gesetzt haben, die Städte für den Wandel vorzubereiten. Die ursprüngliche Idee stammte von dem Iren Rob Hopkins, der das Konzept in der südenglischen Stadt Totnes ausprobierte. Die Bewegung entsprang dem Gedanken, wie man sich auf das Ende des Erdölzeitalters einstimmen und auf neue Energien umstellen kann. Zu dieser Übergangs-Bewegung gehört auch, wie sich die Regionalwirtschaft stärken lässt und wie man die nationale Politik von unten mitbestimmen kann. Das Ziel: Selbstversorgung. Das Transition-Town-Netzwerk hat sich inzwischen auf Großbritannien, Europa, USA und Australien ausgeweitet. Die Initiativen kümmern sich vor allem um die lokale Energiewende, um die Unabhängigkeit von den großen Energiekonzernen, um die Etablierung eigener Systeme, um die Stärkung von Kultur und Tradition und eine autarke Selbstversorgung. Zu letzterem gehört auch die Förderung von Lebensmitteln, die biologisch-dynamisch angebaut werden und Höfe, die gegen einen monatlichen Festbetrag Obst und Gemüse an Kunden liefern. Auch der Aufbau eines Carsharing-Konzepts, die Förderung von Bioläden, die Pflanzung von Obstbäumen, flächendeckende Dachgärten und die Schaffung von autofreien Zonen gehören dazu, so wie es sich die deutschen Initiativen derzeit erarbeiten. Deutsche Transition-Towns sind Bielefeld, Göttingen und Berlin. Mehr Infos: www.transitionnetwork.org.
© S. Kreth, erschienen in LICHTSPRACHE Nr. 84