Überholtes Arbeits- und Sozialsystem

 

Zurzeit befinden sich fast alle westlichen Länder in einem Ungleichgewicht zwischen Wachstum und Mangel. Die Industriestaaten und die Politik wollen um jeden Preis das Wachstum anheben oder den bisherigen Stand halten, was auf Kosten der Arbeitnehmer und der Kleinunternehmer geht, wo immer mehr Armut und Mangel um sich greift. Dieses Ungleichgewicht wird so lange weitergehen und noch mehr Schieflage hervorbringen, bis die Nationen und Industrien die Globalisierung und das Wachstum um jeden Preis abstellen und bereit sind, in zukunftsträchtige und ressourcenschonende Industrien zu investieren. Dass jetzt immer mehr Menschen auf die Straße gehen und eindrücklich protestieren, ist kein Wunder, denn inzwischen ist die Umschichtung des Reichtums bei vielen Menschen essentiell geworden. Sie verlieren ihre Arbeit, sind gezwungen, schlechte Jobs anzunehmen, für einen Euro die Stunde zu arbeiten und haben Probleme, ihre Kinder vernünftig zu ernähren. Die Wut wird verständlicherweise immer größer, während die Industrie nicht sieht, dass die alte Wirtschaft und ihre Branchen an einem Endpunkt angekommen sind. Längst schreit der Markt der erneuerbaren Energien nach neuen Arbeitskräften, doch dies wird durch ein verfehltes Festhalten an der Atomenergie verhindert.

In der Autobranche ist es dasselbe: Die neue Mobilität und die Notwendigkeit, Umwelt und Natur zu schonen, erfordert neue Fahrzeuge, doch die Regierungen verlängerten den Tod des Verbrennungsmotors künstlich, um Arbeitsplätze kurzfristig zu erhalten, die später doch verloren gingen, als die Abwrackprämie auslief. Die vielen Produktionsfehler, die den Autoherstellern passieren, sind ebenfalls Ausdruck dafür, dass eine alte Branche im Sterben liegt, man sie aber nicht sterben lässt. Überall werden Arbeitsplätze abgebaut: in der Baubranche, der Landwirtschaft, der Textilbranche. Was zum Teil auch daran liegt, dass die alte Industrie ihre Produktionen ins Ausland verlagern und sie dort von Billiglohnkräften verrichten lässt - ein letzter verzweifelter Versuch, sich wirtschaftlich zu halten. Die globalisierte Landwirtschaft führt dazu, dass immer mehr Bauern einem Preiskampf ausgeliefert sind oder gezwungen werden, den Genanbau mit zumachen. Die Zeitungsbranche bricht ein, weil das Online-Angebot immer größer wird und wir auf eine Zukunft zusteuern, in der alle Informationen allen zur Verfügung stehen werden. Der Abbau im Verwaltungsapparat ist eine Folge der Entbürokratisierung, teilweise auch zwangsweise durch die Finanzkrise.

Diese hat einen Großteil der heutigen Mißstände ausgelöst oder verschlimmert, sie hat aber auch aufgezeigt, was sich überlebt hat und was man nicht unbedingt überleben lassen sollte, da wir seit langem andere Verhältnisse haben, neue Energiekonzepte, neue Sozial- und Arbeitsmarktkonzepte brauchen - ausgelöst durch den Wandel unseres Bewusstseins. Tatsächlich gibt es genug Arbeit – gerade jetzt, wo beispielsweise etliche Häuser gedämmt, neue Solarhäuser errichtet, neue Stromnetze ausgebaut und neue Fahrzeuge konstruiert werden müssen. Nur die schwerfällig gewordene Politik verhindert es, dass Menschen diese Arbeit aufnehmen können. Da helfen auch keine 5 Euro mehr bei den Hartz IV-Bezügen, erst recht, wenn gleichzeitig das Elterngeld auf die Hartz IV-Leistungen angerechnet wird. Immerhin bedienen sich nicht mehr alle Branchen der Zeitarbeitsfirmen, die mit ihrem unnötigen Vermittlungsdienst die Löhne absenken. Auch gibt es immer mehr Unternehmer, die auf Qualität und Nachhaltigkeit statt auf Wachstum setzen. Und dass die Bundesagentur für Arbeit die Arbeitslosenzahlen schönt, wird jetzt endlich auch öffentlich. Zudem wird immer wieder über die Einführung eines Bürgergeldes oder Grundeinkommens debattiert.

In den USA sieht die Lage am schlimmsten aus, denn dort ist die Industrie praktisch zum Erliegen gekommen. Fast alles wird inzwischen aus dem Ausland importiert. Dadurch gibt es sehr viele Arbeitslose und Obdachlose, die auf Armenspeisungen angewiesen sind. Die Armutsrate liegt inzwischen bei über 15 Prozent. Überall finden Zwangsräumungen statt und die Menschen schlafen auf der Straße oder in den Wäldern, vor allem Jugendliche, deren Eltern ihr Haus verloren haben. Sie finden keine Jobs, weil es keine mehr gibt, und das alles, weil nach der Finanzkrise nicht die richtigen Weichen gestellt wurden. Auch hier sehen wir den Kontrast: Während Menschen auf der Straße leben und sich nach einem Zuhause sehnen, stehen zwangsgeräumte Häuser reihenweise ungenutzt da und verfallen außerdem noch, weil niemand da ist, um sie zu pflegen.

Solange an dem alten System festgehalten wird, das das jetzige Ungleichgewicht in der Verteilung der Reichtümer und der Ausbeutung der planetaren und menschlichen Ressourcen verursacht hat, wird sich die Spirale immer enger nach unten drehen, bis sie zum Kollaps des gesamten Systems führt. Und vielleicht muss es zusammenbrechen, damit ein neues System geboren werden kann. Wir haben es in der Hand, ob dies sanft verläuft und in eine Transformation mündet oder ob dies über einen Kollaps erfolgt.

 

© S. Kreth, Ausschnitt aus “Wandelereignisse”, LICHTSPRACHE Nr. 75, Dez. 2010/Jan. 2011

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Um etwas zu verändern, sollte man nicht etwas Altes zerstören,

sondern etwas Neues schaffen, das das Alte überflüssig macht